Sonntag, 13. September 2009

Prügelpolizisten



Das ist keine Aufnahme aus China oder einer anderen demokratischen Diktatur, sondern aus Deutschland, von der gestrigen Freiheit Statt Angst 2009-Demonstration in Berlin.

Man achte auf den Polizisten links im Bild, den mit der blonden Skinheadfrisur, der ab 0:35 anfängt, dem Mann im blauen Hemd in bester Preisboxermanier mehrfach mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Ein Kollege von ihm unterstützt ihn dann. Was, bitte, soll das sein? Unmittelbarer Zwang? Notwendiges Mittel zur Festnahme?

Und laut der Kommentarthreads dazu auf anderen Seiten sollen die prügelnden Polizisten Mitglieder der 22. Einsatzhunderschaft sein, die dafür bekannt zu sein scheint, gerne und häufig zuzulangen. Hintergrund soll sein, dass der Radfahrer im blauen Hemd Anzeige gegen einen anderen Polizisten erstatten wollte. Das scheint in Deutschland offenbar auszureichen, um danach im Krankenhaus wieder aufzuwachen. Ja wo leben wir denn hier?

Glücklicherweise filmen mittlerweile nicht nur Polizisten Demonstranten, sondern auch Demonstranten Polizisten.

Und auch wenn es das Video -- das im Original eine hochauflösende HD-Aufnahme sein soll -- sicherlich nicht ungeschnitten in die zur Meinungsvielfalt und -bildung beitragenden öffentlichrechtlichen Medien schaffen wird, dürfte es interessant werden, ob das Ganze ein juristisches Nachspiel haben wird. Der Chaos Computer Club will jedenfalls ein Exempel statuieren und bittet Zeugen, sich unter mail (at) ccc.de zu melden!

Mehr dazu hier oder hier.


Nachtrag: separierte Bilder der beiden prügelnden Polizisten gibt es hier.

Nachtrag#2: Die Berliner Kollegen von der Kanzlei Richter haben soeben gegen den Prügelpolizisten Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt und gegen die umstehenden Polizisten wegen Beihilfe hierzu erstattet. Den Wortlaut der Strafanzeige findet man hier. Kann man nur hoffen, dass das Ermittlungsverfahren nicht auf dem kleinem Dienstweg ergebnislos eingestellt wird.

Nachtrag #3: Das Thema ist gestern sogar durch die etablierten Medien gegangen, ein Ermittlungsverfahren und Aufsichtsverfahren ist überdies noch von Amts wegen eingeleitet worden, GoogleNews listet Montagmorgen rund 150 Einträge dazu. Zunächst war in der Stellungnahme der Berliner Polizei der Demonstrant selber schuld, dann knickte man durch den unerwarteten Öffentlichkeitsdruck ein. Jetzt sind alle empört, der Prügelpolizist wird wahrscheinlich der Öffentlichkeit geopfert, ob sich prinzipiell etwas ändert ist fraglich.
Ein sinnvoller Ansatz wären sicherlich regelmäßige(re) psychologische Untersuchungen von Polizeibeamten, die in Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten der Bereitschaftspolizei und der Bundespolizei ihren Dienst verrichten, einschließlich ihrer Vorgesetzten und Ausbilder und sorgfältigere Auswahl. Man hat, wenn man sich Augenzeugenberichte von Demonstrationen und Ausschreitungen bei Sportveranstaltungen durchliest, und davon gibt es im Internet einige, die authentisch wirken, häufig das ungute Gefühl, dass sich die Polizei vom Freund und Helfer zur Prügelbrigade gewandelt hat. Und das ist nicht nur schade, weil die ganz überwiegende Mehrheit der Polizisten einen extrem belastenden und gefährlichen Job wirklich super handhabt, für kaum mehr Geld, als einem cleveren Sozialhilfeempfänger insgesamt zu Verfügung gestellt wird. Es ist vielmehr gefährlich, denn es führt irgendwann dazu, dass einfache Bürger aus Angst vor Übergriffen und Verhaftungen die Straßenseite wechseln, wenn sie Uniformierte sehen, und das hatten wir hier in Deutschland schon und wollen es ganz sicher nicht wieder haben.

Nachtrag #4 (17.09.09): Der Mann im blauen Hemd, dem der Prügelpolizist mehrmals ins Gesicht boxt, soll auf vergangenen Demonstrationen provozierend aufgetreten sein. Dies sollen Videos belegen (Link zu den Videos und weitere Informationen zu den jeweiligen Demos hier). Ich kann zum einen den Mann im blauen Hemd nicht zwingend in den Videos wiedererkennen und halte es für kaum möglich, dass ihn auch einer der Prügelpolizisten von der FSA 2009-Demo in dem Durcheinander wiedererkannt hat. Doch selbst wenn man unterstellen würde, dass er gezielt auf Demonstrationen "provozieren" würde, wobei unklar ist, worin hier die Provokation zu sehen sein soll, UND auf der FSA-Demo wiedererkannt worden sein sollte, würde dies das Verhalten des Prügelpolizisten weder rechtfertigen noch entschuldigen.